Redaktion ist nicht gleich Redaktion

Von Eva Marie Stegmann

Das Schöne am Volontariat bei der Freien Presse ist, dass wir die volle Bandbreite des journalistischen Arbeitens erleben. Das hat viele Variationen. So unterscheiden sich zum Beispiel die Kulturredaktion und eine kleine Lokalredaktion nicht nur in der Art des Schreibens. Ein kleiner Vergleich.

Kulturredaktion

Das Schreiben: Als ich für drei Monate im Ressort Kultur arbeiten durfte, bekam ich die Möglichkeit, alle feuilletonistischen Spielarten ausprobieren zu dürfen: ob Buch- oder Theaterkritik, die Besprechung eines Sinfoniekonzerts oder der Verriss einer kabarettistischen Veranstaltung. Mit voller Wortwucht darf hier geschrieben werden. Der Text ist häufig ein Konglomerat aus persönlichen Eindrücken des Erlebten, fachlichen Hintergründen und natürlich Beschreibungen des Gewesenen.

Die Einsätze: Die Termine spielten sich meist am Wochenende ab und führten mich nach Dresden ins Schauspiel, in den Chemnitzer Kabarett-Keller und in die große Leipziger Arena. Den Schreibtisch verließ ich demnach zumeist erst um 18, 19 oder 20 Uhr, da die Veranstaltungen im kulturellen Bereich zum Großteil Abendveranstaltungen sind. Wo andere hingehen, um nach der Arbeit Spaß zu haben, ging ich hin, um zu arbeiten. So schlecht war das nicht.

Das Feedback: Um die Enttäuschung gleich vorweg zu nehmen: Es wird höchstwahrscheinlich niemand anrufen, um dir zu sagen: „Frau Stegmann, Ihre Besprechung des klassischen Konzerts letzte Woche war herausragend.“ Feedback bekam ich nur ein einziges Mal außerhalb des redaktionsinternen Kollegenkreises: Eine Kabarettistin beschwerte sich über meinen Text, in dem sie zugegebenermaßen nicht sonderlich gut weg kam. Das Stück hatte mir nicht gefallen, was ihr wiederum nicht gefiel. Sie stand wenige Wochen später in der Redaktion auf der Matte.

Lokalredaktion Chemnitz (Große Lokalredaktion)

Das Schreiben: im Lokalen gibt es eine enorme Vielfalt an Themen – Kultur, Politik, Soziales, Sport. Letzteres übernahm zum Glück ein dafür zuständiger Kollege. Frei nach dem Motto: Sport ist Mord (mit Ausnahme von gelegentlichem Joggen und Schwimmen) habe ich weder von Praxis, noch von Theorie der Materie den Hauch einer Ahnung. Wie es sich für einen Sportmuffel gehört.

Wichtig ist immer, sachlich zu bleiben. Das heißt: Außerhalb von Kommentarspalten hat die eigene Meinung nichts zu suchen. Dem Leser sollen politische, kulturelle oder soziale Zusammenhänge so dargestellt werden, dass er sie gut nachvollziehen kann. Die Frage lautet immer: Was ist an dieser Geschichte das Interessante Wir sind nicht die Chronisten, sondern die, die Themen mundgerecht verpacken.

Die Einsätze: Immer. Zu jeder Tages- und Abendzeit kann der Schreibtisch verlassen werden. Wenn man morgens in die Redaktion kommt, weiß man oft noch nicht, dass man zwei Stunden später eine Straßenumfrage machen darf oder zu einem Unfallort hinausfährt. Brände, politische Debatten, Ärger unter Mietern … dafür gibt es, anders als im Theater, keinen Spielplan. Ein richtiger Lokaljournalist ist immer im Einsatz, ist nah am Geschehen in der Stadt. Immer mittendrin. Je größer die Stadt ist, desto mehr Geschehen.

Das Feedback: Da viele Themen den Leser direkt betreffen, ob als verärgerter Mieter, als Mutter, die wegen des Kita-Streiks zu Hause bleiben muss oder als Cegida-Gegendemo-Teilnehmer, ist das Feedback hier größer als im Kulturressort. Die Leser nutzen rege unser tägliches Lesertelefon. Oft kritisierten und lobten sie nicht nur, sondern spielten uns Hinweise auf interessante Themen zu.

Lokalredaktion Hohenstein-Ernstthal (Kleine Lokalredaktion)

Das Schreiben: Unterscheidet sich innerhalb der Lokalredaktionen nicht – sollte es zumindest nicht. Dafür unterscheidet sich die Themengewinnung: Während man in Städten wie Chemnitz, wo immer etwas los ist, selten Themen suchen muss, sieht das in einer kleinen Stadt wie Hohenstein-Ernstthal ganz anders aus. Wir gehen nicht zu Terminen, wir machen die Termine. Wir reagieren nicht auf Pressemitteilungen, wir finden Dinge heraus, über die andere dann ihre Pressemitteilungen herausgeben (Achtung, überspitzt!).

Die Einsätze: manchmal auf gut Glück. So kann es vorkommen, dass ich zum Tierheim fahre – ohne Anlass. Mich dort ein wenig unterhalte und schließlich herausfinde, dass es finanziell noch schlechter als in den letzten Jahren aussieht. Und woran das liegt. Zurück in der Redaktion habe ich zwei Geschichten mitgebracht: 1. Tierheim in Not, 2. Städte beraten über mehr Zuschüsse für Tierheime.

Das Feedback: Ist enorm. Während Terminen werde ich regelmäßig auf Artikel aus unserer Zeitung angesprochen. Stelle ich die Frage, warum jemand diese oder jene Party besucht, kommt überdurchschnittlich häufig die Antwort: „Weil ich es in der Freien Presse gelesen habe.“ Das freut einen natürlich sehr.

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